Der Geruch von Gras nach dem Regen, ein neues Buch, frisch gewaschene Wäsche, eine liebevoll zubereitete Mahlzeit, die bevorzugte Tee- oder Kaffeesorte – jeder Mensch hat seinen ganz eigenen Lieblingsgeruch. Oft fällt es uns schwer, die olfaktorische Welt zu beschreiben und folglich sehen wir den Geruchssinn als minderwertig gegenüber den anderen vier Sinnen.
Doch was, wenn es einen Menschen gäbe, der mit dem ausgezeichneten Geruchssinn ausgestattet wäre, den wir von unseren domestizierten Raubtierfreunden wie Hunden oder Katzen kennen? Dieses "was-wäre-wenn-Szenario" erkundet der Roman "Das Parfum". Eine Art historischer Thriller mit überwältigender sprachlicher Gewandtheit vom deutschen Autor Patrick Süßkind.
Der Leser folgt dem Lebenslauf von Jean-Baptiste Grenouille von seiner Geburt bis zu seinem Tod durch alle Ecken Frankreichs im 18. Jahrhunderts. Zwei Dinge machen den Jungen besonders: er verströmt keinerlei Geruch, erschnüffelt aber dafür Gerüche besser als jeder Spürhund. Sein Ziel – der beste Parfümeur Frankreichs zu werden, koste es, was es wolle.
Smells like Teen Spirit
Besonders die Gerüche selbst beschreibt Süßkind lebhaft. Das macht auf sprachlicher Ebene ganz schön Eindruck beim Lesen, denn normalerweise fällt es uns Menschen schwer, Gerüche linguistisch wiederzugeben. Gerüche werden im limbischen System verarbeitete, ein Gehirnareal, das darüber hinaus auch für Triebe und Emotionen zuständig ist. Die Sprachzentren des Gehirns (vor allem das sogenannte Broca-Areal) sind weniger eng mit dem limbischen System verknüpft. Darum fällt es vielen Menschen nicht nur schwer Gefühle, sondern eben auch Gerüche in Worte zu fassen.
Süßkind bedient sich hierfür gern Metaphern, um eine möglichst lebhafte Darstellung der überaus facettenreichen Geruchswelt zu ermöglichen, der Grenouille täglich ausgesetzt ist.
Dafür bedient er sich hin und wieder der Zeitdehnung, während der größte Teil des Romans zeitraffend geschrieben wurde.
Wie Gustave Leroux in meinem vorherigen Beitrag über die Geschehnisse in der Opera Garnier ("Das Phantom der Oper hat wirklich existiert."), bediente sich auch Süßkind einiger wahrer Begebenheiten, um seine Geschichte, welche übrigens zur selben Zeit und im selben Land wie Leroux Werk spielt, realistischer erscheinen zu lassen. Süßkind schreibt aus der Sicht eines auktorialen Erzählers und beginnt die Geschichte mit einer Beschreibung des verdreckten Paris. Dabei konzentriert er sich vor allem auf den geruchlichen Aspekt, beschreibt verschiedenste Übelgerüche und deren Herkünfte, wobei er geschickt den erzählerischen Ton des Buches einleitet und gleichzeitig die Umwelt beschreibt, sodass der Leser ein detailliertes, wenn auch abstoßendes Bild vor Augen hat. Abgeschlossen wird dieser Teil mit der Einschätzung der französischen Hauptstadt als "allerstinkendster Ort des gesamten Königreiches".
Patrick unterm Stein
Interessant ist dieser Abschnitt wegen des beschriebenen "Cimetière des Innocents", zu Deutsch "Friedhof der Unschuldigen". Der Erzähler umreißt kurz die Geschichte des Innenstädtischen Friedhofes und erklärt, dass man dort jahrhundertelang Leichen türmte, bis die Situation eskalierte. Man wollte den Friedhof räumen, weswegen die Gebeine in den Katakomben unter der Stadt gestapelt wurden, wo man sie noch heute bestaunen kann. Danach wurde an dieser Stelle ein Marktplatz für "Viktualien" errichtet. Das Wort "Viktualien" entstammt der deutsch-österreichischen Sprache des 17. Jahrhunderts und bedeutet "Lebensmittel". Süßkind bediente sich beim Schreiben des Buches in den 1980er Jahren gern veralteter Begriffe, was den Eindruck vermittelt, es stamme wirklich aus der Feder eines Herren des 18. Jahrhunderts und nicht etwa eines "Boomers", der gemütlich hinter einem Computer sitzt, und mit einer Dose in der Cola in der Hand einen Bestseller schreibt. Dass es ihm gelingt, das vergangene Jahrhundert derartig lebendig zum Leben zu erwecken, hat er wohl auch seinem abgebrochenen Geschichtsstudium zu verdanken.
Tatsächlich ist es jedoch schwer zu sagen, unter welchen Umständen Patrick Süßkind seinen Roman verfasste oder inwiefern er dafür Recherche betrieb. Denn anders als der Großteil heutiger Autoren blockt Süßkind das öffentliche Interesse vollständig ab. Er weigerte sich sogar Auszeichnungen wie den FAZ-Literaturpreis, den Münchner Tukan-Preis sowie den französischen Preis für das beste Debüt entgegenzunehmen. Mit der Verfilmung des Buches "Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" hatte er übrigens nicht viel am Hut. Er verkaufte die Filmrechte mitsamt Drehbuch 2001 an Berndt Eichinger, der gemeinsam mit Tom Twyker fünf Jahre lang an dem Film, eine der teuersten deutschen Produktionen, arbeitete. Auch zur Premiere erschien Süßkind – wer hätte es gedacht – nicht. Interviewanfragen sagt er konsequent ab, Photos von ihm gibt es kaum.
Aufgrund dieser Zurückgezogenheit wird oft spekuliert, ob der Autor diesen Teil seiner Persönlichkeit bei der Charakterisierung seiner Protagonisten, ebenfalls meist stumm, einsiedlerisch und weltfremd, mit einfließen lässt. Andererseits wird behauptet, durch dieses Image versuche er das Interesse an seiner Person und somit seinem Werk aufrechtzuerhalten. Doch das zu bewerten liegt nicht bei mir.
Was allerdings bewertet werden kann, ist das Werk selbst. Der vor Metaphern strotzende Roman bietet mit seinem Anti-Helden Grenouille eine Hommage an die klassische Heldenreise, wie man sie etwa vom "Herr der Ringe" kennt. Die verschiedenen Etappen in Grenouilles Lebenslauf können den üblichen Stufen der Heldenreise zugeordnet werden, die da wären:
ERSTER TEIL
Wir begeben uns in die Stadtmitte von Paris im 18. Jahrhundert.
Gewohnte Welt
Die Geschichte Grenouilles begannt am 17. Juli 1738 in der Nähe des zuvor erwähnten Friedhof der Unschuldigen. Grenouille, was übrigens mit "Frosch" übersetzt werden kann, wurde eigentlich sofort von seiner Mutter als tot abgeschrieben – sollte er nicht schon leblos auf die Welt kommen, würde sie nachhelfen. Zusammen mit den Abfällen des Fischstandes, an dem sie arbeitete, wollte sie ihn am Abend im Fluss oder am Friedhof entsorgen. Der Junge überlebte die Geburt jedoch & machte durch Schreien auf sich aufmerksam. Wegen Vernachlässigung des Kindes wurde Grenouilles Mutter abgeführt und einige Zeit später hingerichtet. Grenouille wurde bei einer Madame Galliard untergebracht.
Ruf zum Abenteuer
Bei Madame Galliard, untergebracht in der Kirche Saint-Merri, sammelte Grenouille erstmals bewusst olfaktorische Erfahrungen. Der Drang neue Gerüche zu entdecken lässt sich mit dem "Ruf zum Abenteuer" der klassischen Heldenreise gleichsetzen. Nachdem er zunächst die Mordanschläge anderer Kinder überlebt hatte, ängstigte sein übermenschlicher Geruchssinn Madame Galliard letztendlich so sehr, Grenouille vermochte es, ihr sorgfältig verstecktes Geld durch Wände, Balken und Schatullen hindurch zu erschnüffeln, dass sie ihn 1747 an einen Gerber namens Grimale verkaufte. Einige Jahre später verlor sie ihre Ersparnisse und starb 1799 im Armenhaus an einer unbestimmten Krankheit – ihre größte Angst, wie der Erzähler zu berichten weiß.
Verweigerung des Rufs
Der Elfjährige arbeitete bei Grimale, einem brutalen Mann, für den Grenouille nichts weiter als ein auswechselbarer Handlanger war: das roch Grenouille schon bei ihrer ersten Begegnung. Um zu überleben schuftet er einige Jahre lang unter menschenunwürdigen Bedingungen – wie viele andere seiner Zeitgenossen. Kein Wunder, dass ihn die damals gefürchtete Krankheit Milzbrand befiel. Gefürchtet deshalb, weil das "Kohle-Fieber", wie die Franzosen es nannten, meist tödlich verlief. Da es vor allem durch Tierhäute übertragen wurde, mit denen man in Gerbereibetrieben täglich zu tun hatte, schrieb Grimale Grenouille ab und sah sich bereits nach einem Ersatz um, als "der Zeck" Grenouille, wie er im Buch des Öfteren genannt wird, unerwartet genesen war. Diese Etappe seiner Reise war also weniger eine Weigerung Grenouilles, vielmehr verweigerten die Umstände es ihm, seinem "Ruf" zu folgen. Er setzte die Arbeit bei Grimale fort, bis er aufgrund einer Auslieferung von Ziegenleder dem Parfümeur Baldini begegnete. Grenouille überzeugte Baldini, ihn bei sich aufzunehmen. Der einst wohl situierte Parfümeur kaufte Grimale den Jungen für eine beträchtliche Summe ab, woraufhin der Gerber sich betrank und versehentlich in die Seine sprang. Er war augenblicklich tot, doch für Baldini und Grenouille läutete dieser Handel eine erfüllte Zukunft ein.
Der Begriff "Zeck" ist insofern passend für Grenouille, als dass er, einer Zecke ähnlich, solange von seinem Wirt genährt wird, bis er zufrieden ist und zum nächsten Wirt übergeht. Diese Form des "Ausnutzens" wird dadurch verdeutlicht, dass jeder Person, die den jungen Grenouille einige Zeit begleitete, ein unangenehmes Ende zuteilwurde.
Begegnung mit dem Mentor & Überschreiten der ersten Schwelle
Baldini unterwies Grenouille fortan in der Kunst der Gewinnung ätherischer Öle durch Pressen und Destillieren. Im Austausch dafür, verhalf Grenouille seinem "Mentor" mithilfe seiner selbst kreierten Duftkombinationen dabei, seine einstige Größe wiederzuerlangen. Denn ein neuer Parfümeur, Pelissier, der übrigens tatsächlich der berühmteste Parfümhändler in Paris zu jeder Zeit war, hatte den Markt übernommen. Gerade als Baldini seine einstige Glorie wiedererlangt hatte, wurde Grenouille sehr krank. In den Straßen von Paris hatte er ein Mädchen gerochen, dessen Duft ihn bezauberte. Diesen Geruch wollte er besitzen – wie in einem Wahn tötete er das Mädchen. Damit ist Grenouille bei der Etappe des "Überschreiten der ersten Schwelle" angelangt. Pressen und Destillieren reichten ihm als Duftgewinnungsmethoden nicht, er stieß an seine Grenzen, wollte mehr. Doch konnte Baldini ihm diese Techniken nicht beibringen. Kurz bevor Grenouille dahinsiechte, eröffnete Baldini ihm jedoch, dass in Grasse, dem Ort, wo er selbst einst das Parfümieren erlernte, auch andere Methoden der Duftgewinnung angewandt wurden. Mit diesem neuen Wissen kehrten auch seine Kräfte zurück. Innerhalb weniger Tage wurde er gesund & bereit, Paris den Rücken zu kehren. Gesammelt hat er seine Gerüche mental nun für Jahre. Es war an der Zeit, die Gerüche auch physisch festzuhalten.
Bevor er Baldini mit einem Gesellenbrief verließ, quetschte letzterer etliche neue Duftkombinationen aus seinem Goldesel heraus. Die sollten ihm jedoch wenig nutzen – noch in derselben Nacht, in der Grenouille sich auf den Weg nach Grasse machte, stürzte die westliche Seite des Pont au Change, einer Insel inmitten der Seine, in sich zusammen. Glücklicherweise begruben die Trümmer nur zwei Opfer unter sich – Giuseppe Baldini und seine Frau.
ZWEITER TEIL
Bewährungsprobe
Grenouille wanderte also von Paris nach Grasse, einer Stadt an der Südküste Frankreichs, die nach wie vor für ihre Parfümindustrie berühmt ist. Eine Strecke, die man, zumindest laut Google Maps, in sieben Tagen zu Fuß hinter sich bringen könnte. Bedenkt man die weniger erschlossene Landschaft des damaligen Frankreichs sowie den Mangel an Navigationsgeräten, außer natürlich Grenouilles Geruchssinn, sollte es möglich sein binnen eines Monats die Stadt Grasse zu erreichen. Doch Grenouille fiel schnell auf, dass die Einsamkeit ihm gut gefiel.
Bisher hatte er geglaubt, es sei die Welt im allgemeinen, vor der er sich wegkommen müsse. Es war aber nicht die Welt, es waren die Menschen. Mit der Welt, so schien es, mit der menschenleeren Welt, ließ sich leben.
So begabt er sich in die Cevennen, wo er 1756 in einer kleinen Höhle am Gipfel eines Berges Unterschlupf fand. Er lebte dort rund sieben Jahre, mehr animalisch als menschlich, fraß und trank, erleichterte sich, schlief und gab sich in der restlichen Zeit vollständig seinem aufgewecktem Innenleben hin. Er rief sich Gerüche ins Gedächtnis, kombinierte diese nach Herzenslust, schuf & zerstörte – alles in seinen Gedanken. Bis er eines Tages eine Entdeckung machte: er selbst hatte keinerlei Eigengeruch.
Geschockt von dieser Erkenntnis setzte Grenouille, mit zotteligen Haaren, viel zu langen Fingernägeln, ausgemergelt und vor Dreck triefend, seinen Weg nach Grasse fort.
Verbündete
So traf der Marquise de Taillade-Espinasse, alarmiert durch ängstliche Bauern, in Montpellier auf Grenouille. Der motivierte Forscher in Zeiten der Aufklärung führte ein harmloses Experiment an Grenouille durch. Einem kleinen Publikum von Gelehrten führte er den Verwahrlosten vor – wusch ihn, schnitt ihm die Haare und Nägel, gab ihm reichlich zu essen und kleidete ihn ein – und präsentierte Grenouille erneut einer, diesmal viel größeren, Zuschauerschaft. Die immense optische Veränderung sowie die scheinbare Zivilisiertheit Grenouilles schrieb er jedoch seiner Wundermedizin, dem "vitalen Fluidum" zu. Dafür applaudiertem ihm Gelehrte von nah und fern. Grenouilles Aufgabe in Montpellier war erfüllt & der Marquis ließ ihn ziehen. Was er nicht wusste – Grenouille hatte sich indessen ein Parfum gemischt, mit dem er versuchte, den menschlichen Geruch naturgetreu zu imitieren. so ist Grenouille der Meinung, diese geruchliche Veränderung habe seine Wirkung auf die Menschen unterbewusst derart verändert, nicht die Wundermedizin des Marquise.
Es scheint, als würde der Erzähler hier besonders trocken und ironisch Kritik an den Ideen und Methoden der Aufklärung üben, was diesen Abschnitt der Erzählung besonders unterhaltsam macht.
DRITTER TEIL
Vordringen in die tiefste Höhle
Binnen sieben Tagen erreichte er Grasse. Dort fand Grenouille eine Anstellung bei Madame Arnulfi, der Witwe eines Parfümeurs, die das ihr verbliebene Atelier mithilfe eines Gesellen betrieb. Grenouille lernte, Gerüche mithilfe von Wachstüchern zu extrahieren und begann bald darauf, mit Tieren zu experimentieren, bis er eine ideale Technik zum Konservieren des Geruchs von Lebewesen entwickelt hatte.
In Grasse erschnüffelte er eines Tages ein Mädchen, dessen Duft er nicht vergessen konnte, da es ihn an den Geruch des Mädchens in Paris erinnerte. Auch sie tötete er kurzerhand. Im Gegensatz zum ersten Mal, war er nun imstande ihren Geruch für immer an sich zu reißen. Als dies gelang, fasste er den Entschluss aus 25 extrahierten Duftessenzen junger Mädchen ein Parfüm zu kreieren, dass ihm die Welt zu Füßen legen würde. Immerhin hatte er bereits in Montpellier gesehen, welche Auswirkungen sein Geruch auf die Menschen in seinem Dunstkreis hatte. In den folgenden Monaten versetzte Grenouille die ganze Stadt in Angst und Schrecken. Alle paar Tage tauchten verscharrte Leichen auf den Feldern rund um Grasse auf – nackt, kahlköpfig und blass.
Entscheidungskampf
Letztendlich machte er nicht einmal vor Einbrüchen halt, denn man versuchte die jungen Damen zu schützen, indem man sie nachts verschanzte.
Für seine letzte Essenz suchte er sich jedoch das falsche Mädchen aus. Ihr Vater Richis, ein angesehener Mann, der überaus achtsam mit seiner Tochter umging, denn sie war die einzige Familie, die ihm geblieben war, setzte alles daran, den Mädchen-Mörder dingfest zu machen. Richi plante eine heimliche Flucht mit seiner Tochter aus Grasse, doch vor der Nase Grenouilles konnte sich niemand verstecken. Er war ihm gefolgt, um sein grausiges Werk zu beenden, auch wenn er dafür in Kauf nahm von Richi gefasst zu werden.
Belohnung und Ergreifen des Schwertes
Nach einem kurzen Prozess sollte Grenouille öffentlich gehängt werden. Aus der Hinrichtung machten die Einwohner der Stadt ein regelrechtes Fest, sie feierten den Hass auf Grenouille sowie die Erleichterung, wieder unbehelligt ihrem Alltag nachgehen zu können.
Als Grenouille jedoch aus der Kutsche stieg, die ihn zum Schafott fuhr, änderte sich die Stimmung schlagartig. Keiner der zehntausend Anwesenden konnte glauben, dass diese Gestalt tatsächlich der brutale Mörder sein solle. Anstelle von Wut oder Ekel spürten die Frauen, Männer und Kinder Zuneigung, Liebe und Zärtlichkeit. Die Grasser liebten ihn. Sie ließen Grenouille ziehen.
Erneuerung/Verwandlung
Was nur er selbst wusste: er trug einige Tropfen seines spezielles Parfüms, gemacht aus den fünfundzwanzig Gerüchen der getöteten Mädchen. Doch mit dem Gefühl der Erhabenheit, der Macht, die er in Form einer gefüllten Phiole in seiner Tasche trug, kam auch eine andere Erkenntnis – die Leute liebten ihn – seinen Geruch, sein Parfüm, seine Kreation, aber nicht den Menschen Jean-Bapstiste.
Rückkehr
Er kehrte auf der Stelle zurück nach Paris, überließ die Menschen in Grasse sich selbst. In der Hauptstadt angekommen, suchte er den Friedhof der Unschuldigen auf – den Ort, an dem er geboren wurde. Nachts trieben sich dort allerlei zwielichtige Gestalten herum, dessen war er sich bewusst. Dennoch übergoss er sich partout mit dem gesamten Inhalt seiner Phiole, an der er zwei Jahre lang gearbeitet hatte. Sofort scharten sich Mörder, Diebe, Totengräber und Messerstecher um die, für sie wunderschöne, Gestalt. Jeder wollte ein Stück von ihm. Also fielen sie über Grenouille her, zerfleischten seinen Körper und rissen die Kleider von seinem Leib, bis von Jean-Baptiste Grenouille nichts mehr übrig war.
Wie anfangs erwähnt wirkt der Geruch auf das limbische System, also direkt auf das Unterbewusstsein. Riecht ein Mensch einen anderen Menschen und empfindet er oder sie den Geruch als positiv, so wirkt der Geruch-Ausströmende automatisch sympathischer – vorausgesetzt der Rezipient ist sich des Geruchs nicht bewusst. Die Geschichte um Grenouille, und insbesondere die Wirkung seines Parfums, ist also nicht so unrealistisch, wie man anfangs vielleicht vermuten würde, wenn man bereit ist, die Grenzen des Möglichen ein wenig auszuweiten.
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