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Top 3 Gemälde des "modernen Caravaggio" - Roberto Ferri

Aktualisiert: 10. Sept. 2023

Michelangelo Merisi da Caravaggio, kurz Caravaggio, zählt zu den Meistern der Malerei.

In einer Reihe mit van Gogh, Raffael, Vermeer, da Vinci oder Manet prägte er das ästhetische Empfinden seiner Zeit, den Barock.

(Nicht zu verwechseln mit dem Michelangelo, der für seine David-Statue oder "Die Erschaffung Adams" bekannt ist. Er war ein Vertreter der vorangehenden Hochrenaissance.)

Vor allem ist Caravaggio dafür bekannt, eine besondere Hell-Dunkel-Malerei zu etablieren, die sogenannte Chiaroscuro-Technik (gesprochen kia-ross-kuh-roh), welche die Epoche weitgehend prägte.


Ein sehr bedeutender Künstler also. In der heutigen Zeit ist es aufgrund der unzähligen aufstrebenden Künstler deutlich schwerer sich einen Namen in der Kunstbranche zu machen als vor 400 Jahren.


Roberto Ferri vor einem seiner Werke
Roberto Ferri vor einem seiner Werke

Roberto Ferri, einer der bedeutendsten modernen Künstler, schafft er es sogar, häufig mit dem einstigen Meister des Barocks, Caravaggio, verglichen zu werden.

Diese Parallele kommt nicht von ungefähr.

Nachdem der 1978 in Toronto (Italien) geborene Roberto eine örtliche Kunstschule besuchte, absolvierte er mit Bravour die "Academy of Fine Arts" in Rom.

Daraufhin setzte er sich autodidaktisch, also selbstbildend, mit barocken Künstlern, insbesondere Caravaggio, und dem Ende des 16. Jahrhunderts im Allgemeinen auseinander.


Diese Einflüsse zeigen sich bis heute in seinen Werken, wobei auch symbolistische, romantische und akademische Einflüsse sein Schaffen prägen.



 

Mirror, mirror on the wall



Auf der Abbildung oben (bzw. links) zu sehen ist der "Narziss" von Caravagggio (Ende 16. Jhd., 110x94 cm). Darunter (bzw. rechts) die moderne Interpretation Ferris aus 2017.


Obwohl unterschiedlich dargestellt, zeigen beide die selbe Szene der griechischen Legende von Narziss, einem schönen jungen Mann, der jegliche Avancen seiner Bewunderer*innen, wie der Nymphe Echo, ablehnte. Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit, verbannte ihn folglich dazu, sich in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben.

Es gibt verschiedene Versionen, wie er daraufhin den Tod gefunden hatte. Die Wellen hätten sein Spiegelbild verzerrt und die Hässlichkeit dieses Anblicks habe ihn getötet, oder er sei ertrunken, bei dem Versuch, sich mit dem begehrten, doch für immer unerreichbaren Spiegelbild zu vereinen. Allenfalls soll aus seinem Blut eine Blume gewachsen sein, die man fortan Narzisse nannte.


Merkmale beider Bilder ist der hohe Hell-Dunkel-Kontrast des beleuchteten Subjektes und des dunklen Hintergrunds, was besonders bei Caravaggio ins Auge springt. Da Ferri außerdem auf weitere künstlerische Einflüsse zurück greifen kann, ist dies kein Wunder.


Während Caravaggio den Hintergrund undefiniert lässt und stattdessen ein Spiegelbild andeutet, fehlt letzteres bei Ferri. Dafür stellt er, zumindest innerhalb des Ringes, den Narziss hält, die Kulisse, also den Wald dar. Weiterhin erscheint der "Ring" wie ein Bauteil eines Kompasses. Das richtungsweisende Werkzeug wird oft mit der Moral assoziiert. Das Subjekt und der Hintergrund werden bei Ferri durch ebenenübergreifende Elemente – den Stein, auf dem Narziss hockt, sowie dessen linkes Bein – verbunden.


Die gebeugte Körperhaltung und das nach unten gerichtete Gesicht in beiden Bilder sind typisch für Bildnisse des Narziss, die schon in der Antike beliebt waren.


Die ausdrucksstarke, Raum einnehmende Armhaltung beider Figuren ist ein typisches Barockelement.

Der "Ring", ein Symbol für Perfektion, im rechten Bild wirkt wie ein Portal, durch das man, würde Narziss es nicht versperren, in den Bildhintergrund eintreten könnte.


Für die Augenbinde, die Narziss` Augen in Ferris Werk verdeckt, habe ich zwei Deutungshypothesen aufgestellt.


Die erste Hypothese sieht als tiefere Bedeutung die Unabwendbarkeit des Schicksals. Der Blick Narziss' ist nach unten gerichtet, als könne er trotz der verbundenen Augen sein Spiegelbild sehen. Trotz einer Behinderung, die das Eintreten des Ereignisses X unmöglich macht, wird es dennoch geschehen; das Schicksal Narziss, sowie jedes Einzelnen, ist unumgänglich.

Bedenkt man, dass Ferri ebenfalls symbolistische Aspekte in seine Werke integrierte, erhöht das die Plausibilität. Im Symbolismus ging es vorrangig um die Suche nach einer höheren, ungreifbaren Wahrheit, einer transzendenten Idee, wobei die Malweise von naturalistisch bis impressionistisch schwanken konnte.


Diese Annahme hielt ich für richtig, bis ich auf ein Zitat des amerikanischen Schriftstellers H.W. Auden stieß:

Narziss verliebte sich nicht in seine Reflektion, weil sie schön war, sondern weil sie seine war. Wäre es seine Schönheit gewesen, die ihn begeisterte, wäre er in ein paar Jahren durch ihr Verblassen befreit.

Wenn es also nie eine Sache der Schönheit gewesen war, ist es durchaus möglich, dass Narziss sich blitzartig in seine Persönlichkeit, in sich selbst verliebte. Diese Interpretation kommt der modernen Bedeutung des Wortes "Narzissmus" deutlich näher. Die Persönlichkeit kann niemand mit den Augen erfassen, was durch die Augenbinde im Gemälde dargestellt werden könnte. Diese These wird von dem zuvor erwähnten Kompass-Vergleich unterstützt, da die Moral einen wichtigen Teil des Charakters ausmacht, und als Wegweiser in die psychologische Richtung dient.

Laut Wikipedia steht es im weitesten Sinne für jegliche Selbstbewunderung oder Selbstverliebtheit eines Menschen, der sich selbst für bedeutsamer und wertvoller hält, als urteilende Beobachter ihn charakterisieren.

Wichtig ist jedoch den gesunden Narzissmus vom Krankhaften Narzissmus zu unterscheiden. Letzterer ist eine anerkannte Persönlichkeitsstörung, die im DSM-IV & ICD 10 aufgeführt ist, während ersterer für ein gesundes Selbstbewusstsein von großer Bedeutung ist.



 


Ice Ice baby


Anlässlich des 700. Todestages des berühmten italienischen Dichters Dante Alighieri präsentierte Ferri gemeinsam mit der Eismarke Magnum das Gemälde "Der Kuss von Dante und Beatrice".

Obwohl Dante und Beatrice sich nie sonderlich nahe standen, soll sie eine große Inspirationsquelle für Dante gewesen sein. Eine gleichnamige Figur spielt in Dantes erstem Werk "Vita Nova" eine zentrale Rolle, da der Ich-Erzähler seine inneren Wandlungen schildert, die er seit dem ersten Zusammentreffen mit Beatrice durchlebt. Seither verehrte er Beatrice überirdisch.

In einem Interview erklärte Ferri:


Ich denke Beatrice hat alle Werke Dantes beeinflusst. Liebe ist etwas, das dich weiterbringt. Sie ist Inspiration, sie ist Leben und Tod. Liebe nicht zu erfahren, kann es dir erlauben zu sublimieren, und ein unsterbliches Kunstwerk zu schaffen.

Das ganze Interview findest du auf YouTube, leider nur in italienischer Sprache mit englischen Untertiteln.



Die Szene ist in einem Kreis eingerahmt, der wie vorher erwähnt für Perfektion & Ewigkeit steht.

Die Gesichter bilden gemeinsam ein Unendlichkeitszeichen, was ihre unendliche Liebe repräsentiert. Dante wird durch den für ihn typischen roten Umhang kenntlich gemacht. Beatrice ist nackt, da sie die absolute Liebe verkörpert, was mit einer Göttin auf einem weißen Stoff als Symbol für Reinheit identifiziert wird. Weiterhin steht sie für den Heiden Dante als Wegbegleiterin ins Paradies, da sie Glauben, Göttlichkeit, Theologie und die göttliche Offenbarung repräsentiert.

Ganz schön viel Last auf den Schultern einer Frau, die zu ihrer Zeit nicht einmal ihr eigenes Vermögen verwalten durfte.



 


Engel, Tod und Teufel


Das dritte Werk, auf dass ich in dieser kurzen Liste eingehen möchte, nennt sich im Original "L'Angelo La Morte E Il Diavolo" also "Der Engel, der Tod und der Teufel".


"Der Engel, der Tod und der Teufel" Gemälde von Roberto Ferri

Nur fällt schnell auf, das drei Figuren im Bildtitel benannt, aber vier zu sehen sind.

Da stellt sich die Frage: Who is who?

Die schwarze, gesichtslose Gestalt ist in einen dunklen Stoff gehüllt. In der Hand hält sie einen Stab.

Ich gehe davon aus, dass es sich bei der Gestalt um den Tod handelt, da die Darstellung mit dem gängigen, durch die Medien verbreiteten Bild vom Tod, übereinstimmt.

Der Engel ist eindeutig zugeordnet; die am Boden liegende Frauen-gestalt. Bleibt nur noch die Frage, wer der Teufel in dem Bild ist. Da der Mann auf dem scheinbar toten Engel sitzt, könnte man meinen, er, der Teufel höchstselbst habe den Engel getötet. Engelsmord ist schließlich nichts, was ein Sterblicher mal nebenbei begeht. Bei genauer Betrachtung (du kannst das Bild anklicken, um es im Vollbildmodus zu sehen) sieht man, dass die stehende Frau etwas in den Kopf des Mannes zu stecken scheint. Es wirkt, als würde sie ihn auf diese Art steuern. Dieses "etwas" könnte ein Zweig der Dornenkrone sein, die die Frau um die Hüfte trägt. Die Dornenkrone ist ein stark christlich geprägtes Symbol und steht für die Leiden Jesus. Im Allgemeinen symbolisiert sie Herabsetzung, Entwürdigung und Schande. Auch kann die Frau anscheinend nicht allein stehen und lehnt sich stützend gegen den Tod. Viele Christen sehen in ihr aber auch die Gewissheit, dass alle versteckten Leiden von Gott gesehen und beglichen werden, was auch die Erlösung zu einem zentralen Gedanken des Bildes machen könnte.


Aufgrund der Einflüsse des Symbolismus kann man davon ausgehen, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde. Dass beide Frauen rotbraune Locken haben, muss eine Verbindung zwischen ihnen herstellen. Locken, sowie die Haarfarbe rot, galt damals gemeinhin als Anzeichen für Hexerei. Die Hochphase der Hexenverfolgung lag in Europa zwischen 1550 und 1650, eben die Zeit, die Ferri besonders eingehend studierte. Um ein Thema, was so weitgehend um sich griff und alle Lebensbereiche beeinflusste, konnte er also nicht herum kommen.


Setzt man diese Puzzleteile zusammen, ergibt sich meiner Interpretation nach folgendes Bild: Die Frau und der Engel sind die selbe Person. Die Frau führte ein schreckliches Leben, wurde verachtet oder zu unrecht beschuldigt (wie so üblich bei vermeintlichen "Hexen), was durch die Dornenkrone gezeigt wird. Zwar gab es durchaus auch verfolgte "Hexer", das stereotypische Bild wird jedoch immer mit dem Weiblichen verbunden. Frauen wurden als triebgesteuert betrachtet, bis irgendwann die Weiblichkeit als Ganzes verteufelt wurde. Entgegen der stereotypischen Darstellung des Teufels als Mann gehe ich davon aus, dass die Frau Lucifer darstellt. Auch Lilit wurde in der biblischen Schöpfungsgeschichte von der unabhängigen Frau in die Rolle der Bösen, Teuflischen gepresst. Gar nicht so unglaubwürdig, dass Ferri dieses Motiv mitunter aufgriff. Zudem entstand das Bild 2018, in unserem progressiven Zeitalter dürfte man davon ausgehen, dass geschlechtliche Rollenbilder etwas weniger eng zu sehen sind. Das erklärt, wieso die Dornenkrone sich an ihrer Hüfte anstelle ihres Kopfes befindet. Aufgrund dieser Umstände sehnte sie sich nach dem Tod, was erklärt, wieso die Frau sich auf ihn stützt. Die erste Reaktion eines Menschen wäre es, zurückzuweichen. Sie jedoch kann nicht mehr ohne ihn. (Man denke an die Folterungen, welche die als Hexe denunzierten Frauen in der frühen Neuzeit ertragen mussten.) So brachte die Frau den Mann dazu, sie zu ermorden. Oder sollte ich besser sagen, erlösen? (Der Mann könnte hierbei als "der Folterer" gesehen werden. Wenn man sich weniger weit aus dem Fenster lehnen möchte, dann einfach als die "Bedrohung", die ihr das Leben schwer macht. Kurzum, sie treibt ihr Unglück so weit, dass sie daran zugrunde geht, was ihr wiederum die Erlösung bringt.)


Nach ihrem Tod zeigt der Künstler uns jedoch das wahre Wesen der Verdammten. Nach ihrem Ableben erscheint sie als Engel, was als Symbol für ihre Unverdorbenheit interpretiert werden könnte. Untermauert wird die Annahme dadurch, dass die stehende, also noch lebendige Version ihrer selbst in sättigenderen Hauttöne gemalt ist, wohingegen sie als Tote deutlich blasser erscheint. Die gequälte Seele der Frau, so wie die von tausend Vorgänger*innen, war also die ganze Zeit über vor allem eins: unschuldig.


Betrachtet man das Bild aus einer anderen Perspektive, könnte man vermuten, dass das Thema der Geschichte das Liebesleben des Mannes ist. Er verliebte sich in einen sprichwörtlichen Engel, nur um festzustellen, dass seine Angebetete sich später als Teufel herausstellte, die ihn mit ihrer Weiblichkeit (wir erinnern uns, das "Etwas", womit sie ihn kontrolliert war ein Zweig der Krone um ihre Hüften)

um den Finger wickelte & manipulierte. Der Tod ist zugegen, um ihr altes Ich, gewissermaßen ihre "Maske" zu holen. Sie lehnt sich gegen ihn, um zu verdeutlichen, dass sie jetzt auf die "böse Seite" wechselte, während der Mann um seine alte Liebe trauert.

Überträgt man diese Geschichte wiederum auf die Schöpfungsgeschichte, könnte Adam der Mann und Lilit die Frau, beziehungsweise den Engel & Teufel darstellen. Nachdem sich Lilit Adam nicht unterwerfen wollte, wurde sie für ihn zur Feindin und floh aus dem Paradies zum Teufel. Auch Eva passt in diese Rolle, nachdem sie durch den Biss von der "verbotenen Frucht" ebenfalls zu einer Sünderin wurde. Beide Frauen waren für Adam anfangs engelsgleich, bis zu einem Vorfall, ab dem sie für ihn "schlecht" wurden.

Durch die Dornenkrone wird dies verdeutlicht, könnte jedoch ebenfalls Ferris Meinung zu beiden religiösen (Frauen-)Figuren zeigen; immerhin ist auch Jesus kein Sünder.


Nach so viel Metaphern, Theologie und Geschichte könnte sich der Eine oder Andere denken: "Wieso muss man es denn immer so kompliziert machen? Kann das Bild nicht einfach sein, was es ist?"

Zuerst sollte klargestellt werden, dass du mit solchen Gedanken bei meinem Blog am falschen Ort bist. Kaum ein Kunstwerk existiert einfach. Bis auf einige wenige Epochen liegt in jeder Form der Kunst eine tiefere Bedeutung. Besonders im Symbolismus ist die Suche nach einer versteckten Bedeutung essenziell, um ein Werk gänzlich zu erfassen und zu verstehen.

Weiterhin greifen die Romantik und der Akademismus, von denen Ferri beeinflusst wurde, auf den mythologischen, literarischen und historischen, allgemein akzeptierten Kanon zurück.


Abschließend kann ich zwar zu keiner allgemeinen Deutung kommen, aber genau das ist oft das Ziel moderner Kunst. Es ist nicht länger gewollt, eine einheitliche Interpretationsmöglichkeit zu beschwören, so wie auch eine Vielzahl an innovativen Ideen und Weltanschauungen in der heutigen Zeit akzeptiert werden.


Es heißt, ein Künstler lege immer einen Teil seiner selbst in sein Werk. Ich glaube, auch die Subjektivität des Lesers, Hörers oder Betrachters ist ein fundamentaler Teil der Erfahrung.

So ist das Erleben von Kunst immer eine Kommunikation zwischen Künstler und Rezipient, was Kunst zu einem individuellen Erlebnis macht.



 


Weitere sehenswerte Gemälde von Ferri



Bilder von links nach rechts, beziehungsweise von oben nach unten:

  • "LA NASCITA DELLE CONSZELLATIONI" - Die Geburt der Konstellationen, 130 x 160 cm

  • Neueres Bild von Ferri. Wird 2023 in Rom ausgestellt. Name, Jahr und Größe unbekannt.

  • "Schiavo dell'ombra" - Sklave des Schattens, 2018, 120 x 100 cm

  • Portrait von Papst Franziskus, 95 x 75 cm

  • "ACHILLE" - Achilles, 2018, 170 x 200 cm

  • "Touch of the Angel/ The Black Wing" - Die Berührung des Engels/Der schwarze Flügel

  • Mann mit Katzenkopf, Name, Jahr und Größe unbekannt

  • "IL SOGNO DI ULISSE" - Der Traum von Odysseus, 2022, 150 x 160 cm

  • "IL SACRIFICIO" - Die Aufopferung , 2015, 32 x 43 cm




 



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