Für viele Zeitgenossen war der 1856 in Kroatien geborene Nikola Tesla ein komischer Kauz. Er beherrschte acht Sprachen fließend und hatte ein fotografisches Gedächtnis, was es ihm ermöglichte ganze Bücher auswendig zu lernen. Sein visuelles Vorstellungsvermögen war so ausgeprägt, dass er neue Erfindungen vorerst nur mental baute, bevor er einen Finger rührte und seine Idee – meist fehlerfrei – ausführte. War dabei doch mal ein Problem aufgetreten, so berichtete er von Lichtblitzen und Visionen, die ihm die Lösung zeigten und nicht selten einen ganzen Schwall neuer Ideen mit sich brachten.
Der "Tesla-Tower"
Dennoch wurde er in der Gesellschaft hoch geschätzt, was unter anderem auch an den Vorstellungen lag, die der Physiker ab und an zum Besten gab, um die Skepsis der Menschen in Bezug auf den Strom zu überwinden.
Einige dieser Vorstellungen fanden im berühmten "Wardenclyffe Tower" statt, den Tesla 1901 mit dem Geld eines Privatbankiers errichten ließ. Er präsentierte das Projekt als Hochleistungssensor, der mit 300kW den aktuellen Spitzenreiter Marconi mit gerade mal 18kW bei weitem übertreffen sollte, um erstmals transatlantische Funksendungen zu ermöglichen. Tesla hatte jedoch etwas anderes im Sinn – er experimentierte mit der drahtlosen Verteilung von elektrischer Energie, wie man es heute von wireless-charging oder einer Induktionsplatte kennt. Als sein Geldgeber davon Wind bekam, stellte er die Zahlungen ein, und der 57-Meter hohe Holzturm und die Kuppel mit einem Durchmesser von 20 Metern verwahrloste unvollendet an der Küste Long Islands. Ohne einen Investor konnte Tesla seine Forschungen hier nicht weiter betreiben und verschuldete sich zunehmend, da er für das Grundstück eine monatliche Pacht zahlen musste, und zeitgleich in verschiedenen Luxushotels ein- und ausging. Darum wurde das Grundstück mitsamt dem Wardenclyffe Tower 1917 an einen Hotelbesitzer verkauft, der den Turm sprengen ließ, um an dieser Stelle ein neues Hotel zu errichten.
Gewissermaßen sprengte man damit auch die Zukunftsvisionen Teslas, denn der Wardenclyffe Tower wäre die ideale Forschungsstation für den Visionär gewesen. Neben der drahtlosen Stomübertragung träumte er von Teleportation, Zeitreisen und Gedankenphotographie – Dinge, die laut dem Physiker in der Theorie möglich seien. Sieht man sich Teslas andere Prognosen an, fühlt man sich mehr an unsere moderne Technologie erinnert. Laut dem Physiker würde es in der Zukunft möglich sein, zu jeder Zeit und über jedwede Distanz hinweg mit einem "face-to-face-feeling" kommunizieren zu können & das dafür benötigte Gerät würde in eine Hosentasche passen – klingt nach einem Smartphone. Zudem sollte es möglich gemacht werden, zwischen dutzenden Geräten eine stabile, drahtlose Verbindung aufzubauen, also das Äquivalent zum WLAN. Auch den kleinen Alltagsdrucker sah Tesla schon deutlich vor sich, mit dem es möglich sein sollte, die Tageszeitung ganz einfach zu Hause zu drucken. Und wenn wir schonmal dabei sind: Die Inneneinrichtung eines Hauses könne sein Besitzer laut Tesla ebenfalls über Distanz steuern. Ist doch heute so, oder Alexa?
Bedenkt man, dass all die Möglichkeiten, die wir heute als "normal" betrachten, früher genauso weit weg erschienen, wie aus unserem Standpunkt Teleportation & Zeitreisen, so dürfte man sich der Möglichkeit dieser "Sci-Fi-Technik" ebenso wenig verschließen, wie der Option mal eben zu googeln, wie das Wetter morgen wird.
Doch all das stand & fiel metaphorisch mit dem Wardenclyffe Tower.
Eine wichtige Neuerung, die wegweisend für die Technologie der Zukunft war und die wir größtenteils Nikola Tesla verdanken, ist der ...
... Wechselstrom
Denn in der Zeit der Elektrifizierung gab es einen erbitterten Kampf der Unternehmer & Ingenieure, den Markt mit Gleich– oder Wechselstrom zu dominieren. Tesla setzte aufgrund der hohen Effizienz über lange Distanz auf den Wechselstrom, während sein Gegner Thomas Edison in letzterem eine große Gefahr sah, und beim bewährten Gleichstrom-Prinzip bleiben wollte. Beide setzten dabei auf die öffentlich Meinung, ihre Herangehensweisen könnten aber nicht unterschiedlicher sein. Während Tesla bei zuvor erwähnten Vorführungen den als harmlos titulierten Strom in der Hand hielt, ihn über seinen Kopf gleiten ließ und schließlich in einer Holzkiste verwahrte – für Zeitzeugen schlichte Magie – setzte Edison auf Abschreckung. Er jagte streunenden Hunden, Katzen, Pferden und sogar Elefanten Wechselstrom durch den Körper, die Tiere krepierten vor den Augen der Zuschauer & Edison fragte theatralisch in die Menge "Wollen Sie, dass ihre Frau damit zu Hause hantiert?". Schließlich ließ Edison sogar einen ersten Prototyp des elektrischen Stuhls entwickeln, mit dem verurteilte Straftäter noch heute in Teilen Amerikas hingerichtet werden können.
Letztendlich gewann Tesla dieses Duell. Da du gerade diesen Artikel liest, hast auch du Wechselstrom benutzt, um dein Handy, Tablet oder Computer aufzuladen. Kochst du dir einen Kaffee oder Tee, benutzt du Wechselstrom, machst du abends das Licht an, benutzt du Wechselstrom. Diese Errungenschaft Teslas hat also bis heute einen massiven Einfluss auf unser Alltagsleben. Trotz der historischen und naturwissenschaftlichen Signifikanz von seinen Erfindungen meinte es das Leben oft nicht gut mit ihm. Bei einer Zusammenarbeit mit Edison betrog letzterer ihn um 50.000 Dollar, später wurde er aus seiner eigenen Firma verdrängt und um den Gewinn gebracht.
Tesla als "mad scientist"?
Der zeitweilige Mangel an Geldmitteln schadete seinen Verbindungen zur Oberschicht jedoch kaum – er bewohnte luxuriöse Hotels und umgab sich mit der High-Society New Yorks. Trotz seiner oft gelobten Körperhygiene, stilvoller Frisur- und Kleidungsauswahl sowie einer eleganten Körperhaltung schien er auch dort nicht so recht seinen Platz zu finden, was womöglich mitunter an seinen kleinen Marotten gelegen haben könnte. Der Physiker berechnete beispielsweise den Inhalt seiner Kaffeetassen, weil ihm deren Inhalt sonst weniger gut schmeckte, selbes galt für Kost aus Schüsseln, welche im Übrigen punktgenau serviert werden musste. Ihm wurde angeblich sehr warm, sobald er nur einen einzigen Pfirsich sah, und er zählte seine Schritte beim Gehen penibel. Er hatte außerdem eine große Abneigung gegen Perlen, Ohrringe und die Haare fremder Menschen. Er schlief nur in Hotelzimmern, deren Nummer durch drei teilbar war, selbiges galt für Wiederholungen von Tätigkeiten. Laut eigenen Angabe schlief er nur zwei Stunden pro Nacht. Dennoch legte er großen Wert darauf, seine Intelligenz nicht negativ zu beeinträchtigen, weswegen er nächtlich seine Zehe knetete, um das Gehirn zu stimulieren.
In seinen späten Jahren entwickelte er einen besonderen Bezug zu Tauben, pflegte sie, wenn sie verletzt waren & fütterte sie, wenn sie auf sein Fensterbrett flogen. Er behauptete sogar, mit einer besonderen Taube eine Art Liebesverhältnis zu führen. Sein wissenschaftliches Interesse widmete er in dieser letzten Zeit Strahlenkanonen. Vielleicht liegen Genie und Wahnsinn also doch nicht so weit auseinander.
Letztendlich verstarb Nikola Tesla im 33. Stock des Wyndham Hotels in New York, Zimmer 3327. Von dem jungen Mann, der einst voll Glanz und Glorie ein Publikum mithilfe seines Verstandes begeisterte, ist nicht mehr viel übrig. Zwar entspricht die verbreitete Annahme, er sei verarmt gestorben, nicht der Wahrheit, mit 85 Jahren ist der Erfinder jedoch verbittert & weltfremd.
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