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wie wärs noch mit ein bisschen Musik?

La femme fatale II -Salome

Aktualisiert: 10. Sept. 2023

Interpretation Gemälde „Salome“ (Lovis Corinth)


Während ich das Gemälde im ersten Teil (La femme fatale I) ausführlich beschrieben und analysiert habe, folgt in diesem Beitrag die Interpretation.



 

Du hast den ersten Teil verpasst? Kein Problem!



 




Gemälde "Salome" von Lovis Corinth
hier nochmal das Bild zur Erinnerung


Parallelen zum Drama?


Die Interpretation dieses Werkes gestaltet sich vergleichsweise einfach, da das Gemälde eine bekannte biblische Geschichte aufnimmt und neu aufbereitet. Geht man davon aus, dass Corinth sich vor allem an Oscar Wildes Drama (den Niedergang des Schriftsteller habe ich hier beschrieben) orientiert hat, so ist auch verständlich, wieso Salome im Gegensatz zu vielen vorherigen Darstellungen der Figur so unsittlich portraitiert wird. Auch Wildes Text hatte anfangs mit scharfer Kritik zu kämpfen und wurde sogar teilweise zensiert. Es lassen sich also Parallelen zur anfänglichen Stimmung ziehen, mit der beide Künstler sich konfrontiert sahen.


Zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Gemäldes, also 1902, arbeitete er mit Max Reinhart, dem Leiter eines lokalen Theaters, an der Seite von Max Kruse an dem Bühnenbild und den Kostümen für eine Inszenierung von Wildes "Salome". Es heißt sogar, dass die Schauspieler für das Dramas den Figuren auf Corinths Gemälde ähnelten.



Rahmenhandlung


Der Tetrarch Herodes, also der König von Judäa, tötete der Erzählung nach seinen älteren Bruder und heiratete anschließend dessen Frau Herodias - mutmaßlich die in rot gekleidete Frau rechts oben. Johannes der Täufer äußerte sich negativ über das Verhalten des Herodes und wurde deshalb eingesperrt. Der König traute sich jedoch nicht ihn zu töten, da er wusste, dass Johannes ein Heiliger war, und er Gott nicht erzürnen wollte. Als an dem Geburtstag des Königs Salome, die Tochter der Königin Herodias, besonders schön für ihn tanzte, wollte er ihr ein Geschenk machen und schwor, dass er ihr alles geben würde, was sie begehrte, selbst wenn es sein halbes Königreich sei. Da Salome wusste, dass Johannes ihre Mutter sehr beleidigt hatte, wünschte sie sich den Kopf des Johannes auf einem Silbertablett. Da der König Salome einen Schwur geleistet hatte, musste er Johannes widerwillig töten lassen. Als Johannes' Jünger das hörten, kamen sie, um seinen Leichnam zu holen und in ein angemessenes Grab zu bringen.


Ebendiese Szene wird im Bild dargestellt, und gleich vier Punkte der ursprünglichen Erzählung lassen sich herauslesen.



Erzählebene I – Mord


Zum einen die Enthauptung von Johannes selbst: das blutverschmierte Schwert in der Hand des linken Mannes ist Anlass genug anzunehmen, dass er den Henker darstellt. Die Hand, die er hinter seinen Rücken hält, könnte für eine Art Widerwillen stehen. Schließlich wollte auch in Wildes Drama niemand den Heiligen Johannes ermorden, aus Furcht den Zorn Gottes auf sich zu ziehen.



Erzählebene II – Trauernde


Zweitens könnte man davon ausgehen, dass der getragene Körper auf der Rechten dem toten Johannes gehört, der gerade von seinen Jüngern herausgetragen wird. Die Tätowierung, die der Mann auf dem rechten Arm trägt, gibt ihn als solchen zu erkennen.


Da die Urchristen anfangs verfolgt wurden, mussten sie Wege finden, andere Glaubensbrüder zu erkennen, ohne sich versehentlich vor den falschen Menschen zu enttarnen. So entstanden viele doppeldeutige Symbole, wie etwa der Fisch, die noch heute als Aushängeschild des Christentums dienen. Eines dieser Symbole war auch der Anker, da das angedeutete Kreuz, welches dieses Motiv meist mit sich brachte, Anlass bot, das christliche Kreuz unter falschem Vorwand zu tragen. Auch war es zu dieser Zeit nicht unüblich sich zu tätowieren, um die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft auszudrücken.


Weiterhin könnte das der Grund sein, wieso der Kopf des Mannes, der die Beine trägt, abgewandt, beziehungsweise das Gesicht mit der Schulter verdeckt ist. Er trauert um den gefallenen Propheten. Man könnte ebenfalls vermuten, dass er den glatzköpfigen Mann ansieht, der ihm etwas mitteilt.



Erzählebene III – Femme fatale…


Die dritte und offensichtlichste Erzählebene des Werkes ist die Überreichung von Johannes' Kopf an Salome. Der dunkelhäutige Sklave, der den Kopf hereinträgt, kniet ergeben vor der Prinzessin von Judäa. Diese steht lasziv gebeugt über der Schale, was erneut darauf anspielen könnte, dass sie den König mithilfe ihrer Schönheit beeinflusst, geradezu verleitet hat. Sie wirkt geistig abwesend. Trotz dass ein abgetrennter Kopf vor ihr liegt, lässt sich keine Regung in ihrem Gesicht feststellen, noch dazu öffnet sie mit elegant gespreizten Fingern das linke Auge des Toten und blickt hinein. Vielleicht um festzustellen ob Johannes wirklich tot ist?


Ihr Auftreten steht in einem so großen Kontrast zu der gegebenen Situation, dass sie arrogant oder kaltherzig erscheint. Corinth präsentiert mit dieser Figur das Bild der französischen "Femme fatale", dem Stereotypen einer unglaublich verführerischen, attraktiven Frau, die sich darauf versteht, Männer erotisch an sich zu binden oder zu manipulieren. Sie untergräbt die männliche Moral und stürzt den ihr Verfallenen auf meist "fatale" Weise ins Unglück.


Sehr zutreffend also, wenn man bedenkt, dass der König ohnehin Angst vor einem großen Unglück hatte, sollte er dem heiligen Johannes etwas antun, und nur dazu gezwungen war, ihn ermorden zu lassen, da seine schöne Nichte ihn um den Finger gewickelt hatte.


Obwohl die Figur der Salome in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die meist rezipierte Frau aus dem christlich/mythologischen Themenbereich war, wurde sie bis dato nur einseitig charakterisiert. Sie war ein Sinnbild für Reinheit und Unschuld, was der Darstellung von Corinths Salome gegenübersteht. Gerade diesem Gegensatz hatte er wohl teilweise die Berühmtheit seines Gemäldes zu verdanken. Das Berliner Publikum hatte sich an der verträumten Darstellung der Figur satt gesehen, die Neuinterpretation war eine willkommene Abwechslung.


Die provokante Darstellung der Salome war sicher auch dem Zeitgeist zu schulden. In der Industrialisierung wurde der Fortschritt rasend voran getrieben, und der Blick Vieler so auf Naturvorgänge und Tatsachen gerückt. Dabei trat die Religion zunehmend in den Hintergrund. Die sogenannte Säkularisierung eröffnete also die Möglichkeit religiöse Themen in einen neuen Bezugsrahmen zu setzen.



Erzählebene IV – …oder doch nicht?


Betrachtet man jedoch die vierte Erzählebene, so tut sich ein neues Bild auf. Die Königin Herodias enttarnt sich durch ihr hämisches Grinsen als wahre Manipulatorin dieser Affäre. Im Gegensatz zu Wildes Erzählung hatte sich in der Originalfassung nicht Salome selbst dazu entschieden, sondern wurde von ihrer Mutter beeinflusst, da diese sich schon länger an Johannes für die Beleidigung rächen wollte. So war es nicht Salomes Wunsch Johannes zu enthaupten, sondern vielmehr der ihrer Mutter, die ihre Chance sah, und den Einfluss auf ihre Tochter nutzte, um ihre persönlichen Ziele zu verwirklichen.


Bei dieser neuen Deutungsmöglichkeit stellt sich nun auch heraus, dass die Annahme, die Farbe der Schüssel und des Gewandes der Königin stünden auf der Bedeutungsebene in Bezug zueinander, als wahr heraus, da die beiden, wie wir nun wissen, die wichtigsten Gegenspieler der Handlung sind.



Nicht eindeutig Salome


Auch wenn es nicht die Intention des Künstlers war, die Figur der Salome als rein und unschuldig darzustellen, möchte ich den Namen Salomes an sich an dieser Stelle kurz diskutieren, und in gewisser Weise reinwaschen. Denn in der Bibelstelle, an der von der Enthauptung des Johannes berichtet wird (Evangelium nach Matthäus 14, 6 -11), wird Salome nicht namentlich genannt. Es wird lediglich "die Tochter der Herodias" erwähnt. Zwar ist in der Bibel vieles nicht präzise definiert, sodass es etliche Auslegungen geben kann, dennoch wollte ich auf diesen Umstand aufmerksam machen, um eine weit verbreitete Annahme zu überholen.


Falsche Vermutung


Zu Anfang ging ich davon aus, dass der glatzköpfige Mann der König sein könnte, ungeschmückt, um seine Machtlosigkeit in dieser Situation zu demonstrieren. Die Anordnung des Mannes in der Nähe der Königin, sowie die Hand, die das Gelenk der anderen packt, interpretierte ich als die Königin, die ihren Mann daran hindert, etwas zu unternehmen, um einmal mehr ihre Machtposition zu verdeutlichen.


Sieht man genauer hin, erkennt man jedoch, dass die Farbe der nach oben gerichteten Hand, sowie die der Füße des Leichnams übereinstimmen. Die Hand, die das Handgelenk festhält, passt vom Hautton deutlich besser zu der des Kopfes daneben. Außerdem erkennt man, dass sich unter dem Körper des rechten, nach unten gebeugten Mannes eine weitere Hand mit demselben Hautton befindet, die einen Arm stützt. So komme ich zu dem Schluss, dass der Mann keineswegs der König, sondern ein weiterer Jünger Johannes' ist, der dabei hilft, den Heiligen in seine letze Ruhestätte zu transportieren.



Verbleib des König Herodes


Da der glatzköpfige Mann also einen Jünger verkörpert, stellt sich mir die Frage, weshalb der König nicht abgebildet ist. Herodes ist eine zentrale Figur der Geschichte. Ihn außen vor zu lassen, muss also eine bewusste Entscheidung Corinths gewesen sein.


Betrachtet mann die Machtverteilung der beiden Geschlechtergruppen, stellt man eine deutliche Machtverlagerung auf Seiten der Frauen fest. Das Geschlecht wird sowohl von einer Königin als auch einer Prinzessin, also den beiden mächtigsten weiblichen Befehlshabern eines Landes verkörpert. Die Männer hingegen sind lediglich Bedienstete oder Jünger, wahrscheinlich ohne beachtenswerte soziale Hoheit. Die einzige, ansatzweise einflussreiche männliche Figur im Gemälde ist Johannes der Täufer - geköpft durch die Intrigen zweier Frauen. Symbolisch könnte dies also für die Ohnmacht des Mannes im Gegensatz zur Macht und Unberechenbarkeit der Frau stehen. Unterstützt wird diese These durch die zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen. Erste Emanzipationsversuche der Frauen manifestierten sich in Souffragettenbewegungen Anfang des 20. Jahrhunderts, in denen sich Frauenbewegungen aktiv für ihre Rechte einsetzten. Die Darstellung der Salome im Gemälde kann also weiterhin als Symbol für ein überholtes Frauenbild stehen, welches sich in dieser Zeit zu etablieren begann.



Handlungsort


Des weiteres fällt auf, dass die Szene nicht in einem Ball- oder Thronsaal spielt, sondern einer Art Terrasse, da es nicht üblich für die königliche Familie wäre, sich dort aufzuhalten, geschweige denn solch eine wichtige Angelegenheit auf einem schlichten Balkon abzuwickeln.


Auch hier bietet Wildes Text einen Erklärungsansatz. Da Salome den Blicken des Tetrarchen überdrüssig wurde, begab sie sich zu einer Terrasse. Da die adelige Gesellschaft, insbesondere Herodes, sich an ihrer Abwesenheit störte und sie den Befehl wieder hinunter zu gehen verweigerte, verlagerte sich die gesamte Gemeinschaft nach oben auf die Terrasse. So kann auch erklärt werden, wieso die Jünger des Johannes Zutritt hatten, da der Adel sich üblicherweise abseits des gewöhnlichen Volkes aufhält.



Zofe als Identifikationsfigur


Zuletzt möchte ich noch einmal auf die Frau mit dem Fächer eingehen. Sie ist offenkundig eine Zofe bzw. Sklavin der Königin. Auch wenn sie weiter hinten im Bildraum zu stehen scheint und somit perspektivisch etwas kleiner sein müsste als die Dame zu ihrer Linken, könnte der Größenunterschied meiner Meinung nach ebenfalls die gehobene Machtposition, in der Herodias sich im Gegensatz zu ihr befindet, andeuten.


Da auch sie eher in (oliv)grün gekleidet ist, stellte sich mir die Frage, ob ihr nicht doch eine wichtigere Rolle zugeschrieben werden muss, als nur der Frau, die der Königin Luft zuwedelt. Immerhin hatte eine eindeutige Farbgebung auch bei der blauen Schale und dem roten Königinnengewand eine tiefere Bedeutungsebene.


Der enttäuscht wirkende, leere Blick, mit dem sie den Betrachter direkt aus der hintersten Position aus anstarrt, wirkt, als hätte sie genau erkannt, was vor sich geht. Ich deute, dass sie die Machtspiele der Königin erkannt hat und ahnt, was nun für Unheil näher rückt. Sowohl sie als auch der Betrachter, der wie vorher schon erwähnt das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein, sind lediglich Zuschauer. Durch Schranken - im Fall des Betrachters in Form von Schwert und Beinen, und in ihrem Fall die Ohnmacht gegen die Königin, können weder sie noch der Betrachter irgendetwas an der Situation verändern. Somit ist die Sklavin im Hintergrund die perfekte Identifikationsfigur für den Betrachter.



Erste Fassung des Gemäldes "Salome" von Lovis Corinth
Salome Erste Fassung

Erste Fassung


Ein Aspekt, den ich bisher außer Acht gelassen habe, ist der Umstand, dass das Gemälde bereits die zweite Fassung von Lovis Corinth ist. Die erste Fassung malte er 1899, also ein Jahr vor der zweiten. Sie befindet sich heute im Busch-Reisinger Museum in Cambridge, USA.

Zwar ist die Szene die gleiche, die Ausführung jedoch fundamental unterschiedlich.


Der lockere Duktus, die ehe unverblendet übereinander aufgetragenen, hellen und intensiven Farben erinnern hierbei eher an den Impressionismus, wärmend die zweite Fassung detailreicher, gedeckter und, so nehme ich es wahr, bedachter gemalt worden ist, und sich somit stilistisch eher dem Realismus zuordnen lässt.


Des weiteren ist der Kopf des Johannes in der ersten Fassung noch blutig, sodass das Blut auf den knienden Mann darunter tropft. Auch an dem Henker änderte Corinth in der zweiten Fassung ein Detail: er ließ den goldenen Ohrring aus.


Der größte Unterschied ist jedoch der Gesichtsausdruck Salomes, der in der zweiten Fassung gar regungslos wirkt, in der ersten Fassung jedoch pure Abscheu zeigt. Auch der Abstand zwischen dem Kopf in der Schüssel und Salomes Oberkörper ist in der ersten Fassung weit größer.



Probe für zweite Fassung


Ich gehe davon aus, dass die erste Fassung als eine Art Probe für Corinth fungierte, in der er ausprobierte, wie die er dachte Komposition auf der Leinwand wirken würde. Dafür spräche, dass er die erste Fassung weniger detailreich und verblendet, also weniger zeitaufwändig, malte. Auch dass er große Hoffnungen in dieses Gemälde steckte, steht für diese Theorie, immerhin würde man ein wichtiges Vorhaben nicht "auf blauen Dunst" starten.


Alternativ wäre es möglich, dass ihm die erste Fassung nicht zusagte, oder er sie gar nicht erst fertig stellte, da sie ihm bereits beim Malen missfiel, und daraufhin einen neuen Anlauf startete.



Widersprüchlicher Deutungsansatz


In Anbetracht der Abneigung von Salome aus der ersten Fassung könnte man folglich den Gesichtsausdruck von Salome in der zweiten Fassung neu deuten. So erkennt der Betrachter vielleicht unterdrückten Ekel in den feinen Gesichtszügen. Auch die gespreizten Finger und ihre andere Hand, die den Schleier hält, ergeben in diesem Zusammenhang eher ein Bild von Abscheu; sie will ihre Kleidung bei sich behalten, sich klein machen, auf keinen Fall in Berührung mit dem abgetrennten Kopf kommen.


Dies würde jedoch das vorherige Bild der "Femme fatale" zerstören, und geht man davon aus dass Corinth diese Botschaft übermitteln wollte, wird verständlich, wieso er Salome in der zweiten Fassung letztlich auf diese Art und Weise Veränderte.



Strömungen der Kunst – Symbolismus


Was beide Fassungen gemeinsam haben ist, abgesehen von Thema und Figuren, jedoch die künstlerische Strömung, der sie beide zugeordnet werden können: dem Symbolismus.


Zwar erwähnte ich, dass die erste Fassung eher impressionistische, die zweite hingegen realistische Charakteristiken aufweist, jedoch zeichnet sich der Symbolismus dadurch aus, dass kein einheitlicher Stil vorherrscht. Manche Künstler bevorzugten es abstrakt oder vereinfacht, wie in der ersten Fassung zu malen, andere bevorzugten ein hoch realistisches, naturgetreues Gesamtbild. Zudem fungierte er als Bindeglied zwischen Impressionismus und Expressionismus.


Strömungen die im Symbolismus vertreten wurde, waren zum Beispiel der Ästhetizismus, die Neuromantik, der Jugendstil oder die Wiener Moderne. So ist der gemeinsame Nenner symbolistischer Werke vor allem die Geisteshaltung, der sie entspringen, da sie häufig Annahmen, Ideen, Ängste oder Wünsche zeigten. Es ging den Künstlern, vor allem in der Décadence, darum, den Verfall und Untergang einer Epoche zu begleiten.


Wichtigster Bestandteil der Kunst war die Kunst selbst (l'art pour l'lart (concept)).



Strömungen der Kunst – Sezession


Dieses Ziel deckt sich auch mit dem der Sezessionisten, denen Corinth angehörte. Bemerkenswert ist auch, dass die Unterströmung der Wiener Klassik im Symbolismus in Zusammenhang mit der Namensgebung des Sezessionismus gebracht werden kann, da die Wiener Sezession den ersten Schritt in diese Richtung tat. Eine Angst, die er über diese Gemälde in die Welt hinaustrug, wäre hypothetisch das Bild der emanzipierten Frau.


Auch die Wahl des Motivs wundert nicht, sobald man es mit dem Symbolismus in Verbindung bringt. Gustave Moreau (1826-1889) hatte mit seinen phantasievollen, an die griechische Mythologie angelehnten Gemälden unter anderem einen wichtigen Einfluss auf die Symbolisten. So sind gängige Motive beispielsweise biblische Allegorien, erotische Darstellungen, Akte, Leid, Tod, Verfall, Sünde oder Empfindungen, die man allesamt in diesem Bild vereint findet. So fügt sich Lovis Corinths Gemälde in die gängigen Darstellungen der Zeit ein, ohne seine Originalität durch die Neuinterpretation Salomes einzubüßen.



Symbolistische Deutungsansätze I – Zofe


Das namensgebende Merkmal des Symbolismus ist jedoch die Bedeutung der einzelnen Bildbestandteile, so finden sich in diesen Werken oft Symbolbilder, die wiederum das Verständnis der Aussage des Bildes unterstützen.


So steht der Pfau, dessen Federn in dem Wedel dargestellt wurden, für Hoffnung auf Auferstehung, da er im Winter sin Federkleid verliert, um im nächsten Sommer ein noch schöneres nachwachsen zu lassen. Dass gerade ein Mensch getötet wurde, verstärkt die Aussage wiederum. Da die Frau im grünen Gewand den Wedel hält, und die Farbe grün selbst unter anderem für Hoffnung steht, könnte man davon ausgehen, dass auch sie mit Johannes sympathisierte und "die Hoffnung auf Auferstehung in ihren Händen hält". Zudem wird die Farbe grün durch gelb und blau gemischt, was sich in der Kleidung Salome' und der Schüssel finden lässt. Damit hat Corinth vielleicht ihre Zugehörigkeit zu beiden Parteien symbolisieren wollen. Einerseits sympathisiert sie mit Johannes, andererseits ist sie eine Bedienstete des Königshauses und untersteht so deren Befehlen.


Symbolistische Deutungsansätze II – Mutter & Tochter


Rot, wie es die Königin trägt, steht für Macht und Aggressivität, was zu ihrer Portraitierung passt.


Salomes Kleidung wirkt vor allem gelblich, was für Eitelkeit stehen kann. Zudem könnte die Farbwahl der Kleidung von Mutter und Tochter eine Anspielung auf ihr Familienverhältnis sein, da beide Farben sehr warm sind, und insbesondere Salomes Rock farblich zum Rot ihrer Mutter passt.


Jedoch fällt auf, dass auch andere Farben wie rot oder blau-grün auf ihrer Kleidung zu finden sind. Damit könnte Corinth eine charakterliche Vielschichtigkeit zum Ausdruck bringen. Salome ist nicht "gut" oder ""böse", "sündhaft" oder "unschuldig". Allgemein wurde Salome von mir ebenfalls eher negativ eingeschätzt, die Ambivalenz ihres Charakters zeigt sich jedoch deutlich. So wird ihr bisheriges Bild durch violette und rosa Blumen ergänzt. Die Farbe rosa steht für Mitgefühl und Fürsorge, wirkt feminin und romantisch. Eine negative Eigenschaften, welche die Farbe repräsentiert, ist mangelnde Eigenständigkeit, was auf die Kontrolle der Mutter anspielen könnte.


Violett repräsentiert Macht, vor allem der Adel, wie Salome, kleidete sich in diesen Farben, eine weitere Verdeutlichung ihrer gehobenen sozialen Stellung. Zudem steht Violett für Spiritualität, was in Anbetracht der Enthauptung eines Heiligen durch Salome eine durchdachte Ironie hinzufügt.



Symbolistische Deutungsansätze III – Johannes


Auch der Stoff, der Johannes' Körper bedeckt, scheint einen dezenten lila Ton zu haben, was sich mit der gerade erklärten Farbdeutung vereinbaren lässt.


Die Schüssel, in der Johannes' Kopf liegt, sticht durch ein dunkles Blau hervor. Unter anderem ist dies die Farbe der Trauer. Zumindest vage erinnert blau an silber, die eigentliche Farbe der Schale in Wildes Textvorlage.


Eine weitere negative Eigenschaft, die mit blau assoziiert wird, ist Schwäche. In diesem Fall ist Johannes der Schwächere, dem Adel unterlegen.


Autorität wird jedoch als positive Eigenschaft mit blau in Verbindung gebracht, was zu der Rolle eines heiligen Täufers, der sogar Jünger um sich schart, passt. Ich denke jedoch, dass der Grund, wieso die Schüssel blau dargestellt wird, nicht gänzlich auf die Farbdeutung zurückzuführen ist. Viel mehr gehe ich davon aus, dass ein bewusster Kontrast zwischen der Königin und der Schale beabsichtigt war. So ergibt die Gegenüberstellung von rot und blau den größtmöglichen Warm-Kalt-Kontrast, was die beiden Figuren als die eigentlichen bedeutsamen Kontrahenten des Gemäldes zu erkennen gibt.



Farbanlage


Abschließend lässt sich sagen, dass der Symbolwert der Farben in dem Gemälde überwiegt, die Lokal-beziehungsweise Erscheinungsfarbe wird somit zweitrangig, der darstellende Wert ist wichtiger als der Eigenwert. Zudem hat die farbige Gesamtkonzeption des Gemäldes eine valeuristische Anlage.



Charakterisierung Corinth


Versuche Lovis Corinth zu charakterisieren, gestalten sich schwierig. Ausdrücke wie Maler mit "feinem Sinn fürs Grobe" oder "feinfühliger Meister und Berserker" verdeutlichen die beständige Widersprüchlichkeit seines Schaffens, die sich in den chaotischen Stil des Symbolismus einfügt. Er war ein Traditionalist, schuf Historienbilder, Selbstportraits oder Landschaftsbilder, setzte sich jedoch zugleich häufig auf ironische Art und Weise mit der Gegenwart auseinander. Die emanzipierte, selbstbestimmte Frau, geleitet durch die Fremdkontrolle ihrer Mutter, oder die Gegenüberstellung von Jugend, Feminität, Schönheit auf Seiten Salomes und Tod, Brutalität und Vergänglichkeit auf der anderen Seite sind mustergültige Beispiele für die bewusste Kontradiktion, der sich Corinth häufig bediente.



Lovis Corinth, Selbstbildnis mit Skelett, Detail, 1896
Lovis Corinth, Selbstbildnis mit Skelett, Detail, 1896

Abschließend


Es ist beachtlich, wie der Künstler es schafft, auf einem einzigen Gemälde eine so komplexe Geschichte sowie verwobene zwischenmenschliche Beziehungen festzuhalten. Weiterhin versteht er sich darauf, dies über die Mittel der Sprache hinaus für jeden verständlich zu präsentieren.


Dass Lovis Corinth der II. Fassung des Gemäldes "Salome" seine Berühmtheit verdankt, ist also kein Wunder.


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