Spätestens seit Dan Browns "Sakrileg" begeistert sich eine breite Masse für verschiedenste Theorien über geheimnisvolle Nachrichten, die in den berühmtesten Kunstwerken aller Zeiten verborgen sein sollen. In dem Bestseller erläutert der Protagonist Robert Langdon nicht nur die feministische Hintergrundgestaltung der Mona Lisa, er will sogar das Geheimnis des Heiligen Grals aufgedeckt haben. Ob man sich nun in Spekulationen verliert, oder die Thematik als "Verschwörungstheorie" abtut; bemerkenswert sind Hypothesen dieser Art allemal. Hier folgen fünf berühmte Kunstwerke, in denen sich (angeblich) geheime Botschaften verbergen.
#1 Die Mona Lisa
Die "Joconde", wie die Franzosen sie nennen, ist wohl selbst dem größten Kunsthasser bekannt. Da Vinci gab ihr ursprünglich den Namen "La Gioconda", was mit "die Heitere" übersetzt wird. Alternativ war das Gemälde auch unter "Madonna/Monna Lisa", also "Frau Lisa" bekannt, woraus sich der deutsche Name ableitet. Während sie vor gut 200 Jahren noch im Schlafzimmer Napoleons hing, kann sie heute von aller Welt im Louvre bestaunt werden.
Trotz ihres Bekanntheitsgrades ist bis heute nicht geklärt, wer die Abgebildete war. Eine Theorie besagt, sie zeige die Florentinerin Lisa del Giocondo. Andere spekulieren, dass es sich um eine Prostituierte handeln könnte. Angeblich soll in den Aufzeichnungen eines Schülers von da Vinci das Modell der Mona Lisa eindeutig als Isabella Gualandi vermerkt sein, die in diesem Arbeitsfeld praktiziert haben soll. Der zweite, weniger handfeste "Beweis" soll die fehlende Gesichtsbehaarung der Dame wie Augenbrauen und Wimpern sein, da dies damals ein Hinweis auf Prostitution war. Andererseits tendiert das Gesicht der Mona Lisa ohnehin zu einem eher androgynen Erscheinen, mit Gesichtsbehaarung sah sie für da Vinci vielleicht einfach zu maskulin aus.
Aufgrund der Handhaltung der Joconde spekulierte man auch, ob sie eventuell schwanger war. Das faszinierende Lächeln soll durch Zahnlosigkeit entstanden sein. Auch ein Tumor im rechten Auge wird ihr nachgesagt. Diese Spekulationen sollen jedoch nur am Rande erwähnt werden.
Die "Layer Amplification Method" (kurz L.A.M.) benutzt 13 qualitativ hochwertige Bilder einer Multi-Spektral-Kamera, um durch mathematische Algorithmen, basierend auf den Gesetzen von Licht und Körpern, 1650 Bilder zu generieren. Durch diese Datenmasse ist es möglich, virtuell verschiedene Farbschichten zu differenzieren, die sowohl dem Auge als auch (in vielen Fällen) Röntgenstrahlen entgehen.
So ist es unter anderem möglich, den überlagernden Gelbstich eines Gemäldes zu entfernen, den es über die Zeit unweigerlich annimmt. Außerdem macht dieses Verfahren es möglich, bestimmte Pigmente zu erkennen, die nachfolgend von einer Software abgeglichen werden. Damit kann man die originalen Farben eines Kunstwerkes wiederaufleben lassen.
Zudem hat man mit der L.A.M. ominöse Zahlen und Buchstaben im Gemälde entdeckt. In ihrem rechten Auge sind die Initialen des Malers zu sehen (L, V), in ihrem linken Auge die Buchstaben C und E. Weiterhin soll auf ihrem Nasenbogen die Zahl 72, und am unteren Bildrand eine 149 abgebildet sein.
Was diese Zahlen und Buchstaben bedeuten, hat bislang noch niemand entziffern können. Ob das Geheimnis um die lächelnde Dame in Zukunft gelöst wird oder da Vinci dieses Wissen mit ins Grab nahm, wird abzuwarten bleiben.
#2 Kindlicher Mozart
Das einige der einflussreichsten Persönlichkeiten der Geschichte sich zu den Freimaurern zählten, ist kein Geheimnis. Nicht nur Goethe und Lessing, sondern auch George Washington, der erste Präsident Amerikas, der berühmte Kriegsführer Napoleon Bonaparte, König Friedrich II. (genannt der Große) von Preußen, Karl Marx und eben der österreichische Komponist & Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart sollen dieser mythenumworbenen Geheimgesellschaft angehört haben.
Freimaurer organisieren sich zwar in voneinander unabhängigen Untergruppierungen, den sogenannten "Logen", die grundsätzlichen Ideale, welche auch im Alltag gelebt werden sollen und weitgehend von allen Logen angestrebt werden, sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.
Wie erkennt man als Angehöriger einer Geheimorganisation Gleichgesinnte?
Die Antwort: Symbole & Posen, die zwar offen zur Schau gestellt, aber nur Eingeweihten bekannt sind. Seit der Christenverfolgung am Anfang des ersten Jahrhunderts n. Chr. etablierten sich gewisse Zeichen, welche die Geisteshaltung eines Menschen, zum Beispiel in Form einer Tätowierung, zum Ausdruck brachten. (Mit Sicherheit entwickelten schon frühere (Hoch)kulturen derartige "Codes", da die Freimaurerei jedoch eine europäisch geprägte Organisation ist, lasse ich jene außen vor. Wenn dich die Symbolik der verfolgten Christen interessiert, findest du dazu einen kleinen Exkurs in meiner Interpretation vom Gemälde "Salome" von Lovis Corinth.)
Hier sind Abbildungen der anfangs erwähnten Vertreter der Freimaurerei. Fällt da ein Muster auf?
Insbesondere Napoleon wurde häufig in diese Pose dargestellt, was zu etlichen Spekulationen führte. Er habe ein schmerzendes Magengeschwür oder Brustkrebs, eine Hautkrankheit oder eine anderweitig deformierte Hand. Auch solle er seine Uhr aufgezogen, oder heimlich an einem Duftbeutel gerochen haben, den er in seiner Weste verstecke; der Maler habe einfach nicht gern Hände gemalt.
Jedoch klingt keine dieser Erklärungen plausibel. Zudem beschränkt sich die ominöse Haltung nicht nur auf Bonaparte, sondern wird, wie gerade beispielhaft aufgeführt, auch von etlichen Anderen verwendet. Eine freimaurerische Deutung der Haltung würde in etwa so aussehen:
Das Herz steht für unsere Gefühle. Demnach auch für das, was wir sind und woran wir glauben. Die Hand als Werkzeug steht für das, was wir tun, unsere Handlungen. Wer sich in dieser Pose darstellen lässt, sagt somit: "Das ist, woran ich glaube, und mit welchem Interesse ich agiere."
So weit, so gut.
Im Kontext der Freimaurerei erwartet man erwachsene Männer (und eventuell Frauen), Kinder sollten schließlich Kind sein, und sich nicht mit "erwachsenen Dingen" beschäftigen müssen.
Darum wirft dieses Bild des Wunderkindes Wolfgang Amadeus Fragen auf. Im zarten Alter von 7 Jahren posierte Mozart Junior bereits in der "typisch-freimaurerischen" Pose. Da man einem Kind, insbesondere zur damaligen Zeit, sicher nicht die Freiheit ließ sich selbst zu positionieren, sollte man davon ausgehen, dass er vom Vater oder dem verantwortlichen Maler Pietro Antonio Lorenzoni drapiert wurde. Jedoch führte "das Wolferl" (ein Spitzname Mozarts) seinen Vater Leopold Mozart erst im Erwachsenenalter in die Freimaurerei ein. Auch vom Maler sind keine Verbindungen in diese Richtung bekannt. Könnte es also sein, dass der kleine Amadé sich selbst für diese Haltung entschied?
Vater Mozart erkannte das Talent seines Sohnes schon früh, unterrichtete ihn sowie die Tochter Maria Anna Mozart bereits mit vier Jahren im Piano- und Violinenspiel sowie dem Komponieren. 1762 begannen seine ersten Auftritte, ein Jahr später entstand das Gemälde des Jungen.
1764 entstand die erste brauchbare Komposition Mozarts (KV 1: Menuett G-Dur mit einem Menuett C-Dur als Trio).
Man könnte also argumentieren, dass Wolfgang Amadeus Mozart durch die Umstände seiner Kindheit dazu gezwungen wurde frühzeitig erwachsen zu werden. Das ein Siebenjähriger sich einem Geheimbund anschließt, halte ich dennoch für sehr unwahrscheinlich.
Eine andere Sichtweise zeigt ein Artikel der Internetseite Zeit und Geist, von der ich die meisten Informationen für meinen zweiten Punkt beziehe. Der Artikel bezieht sich auf Aussagen von Prof. Dr. Uwe Flecken im "Handbuch der politischen Ikonographie". In zwei Bänden erklären 97 ausgewiesene Experten in kunsthistorischem Interesse über 100 politische Bildstrategien. Darunter auch die sogenannte "Napoleongeste". Flecken geht auf die "Hand in der Weste", wie es im Inhaltsverzeichnis steht, ein, und erklärt, dass die Haltung bereits seit dem 3. Jahrhundert vor Christus existierte. Der griechische Redner Aischines betrachtete das Gestikulieren mit den Händen beim Reden als unhöflich, weshalb er zumindest eine Hand in der Toga verbarg. Damit schuf er ein antikes Ideal, welches v.a. im 18. Jahrhundert ein Comeback feierte. Seither soll die Geste für Bescheidenheit, Intelligenz, Autorität & Führungsvermögen stehen. Kein Wunder also, dass sich Menschen in Führungspositionen trotz verschiedener Ideologien dieser Pose bedienten. Allen voran wird bis heute jedoch Napoleon mit dieser Geste assoziiert. Da der Abgang des Französischen Herrschers alles andere als glanzvoll war, geriet auch die bekannte "Napoleongeste" mitsamt ihrer Bedeutung in Vergessenheit.
Obwohl gesichert ist, dass Mozart in seinen späteren Jahren zu den Freimaurer gehörte und derartiges Gedankengut unter anderem in seiner berühmten Oper "Die Zauberflöte" verpackte, ist wohl für die meisten klar, dass der 7-Jährige keiner geheimen Loge angehörte, auch wenn das eine weitaus spektakulärere Geschichte wäre.
#3 Das letzte Abendmahl
Es ist wahrscheinlich da Vincis Genialität zu schulden, dass der italienische Renaissance-Maler gleich zweimal in dieser kurzen Liste auftritt.
In der Schule wurde uns beigebracht, da Vinci sei ein Universalgenie gewesen, bewandert in allen Bereichen der Kunst sowie den Wissenschaften. "Das letzte Abendmahl" und insbesondere die vermutete Botschaft darin, beweist diese Behauptung.
Es wurde schon länger spekuliert, dass sich in dem religiösen Gemälde eine musikalische Botschaft befinde, bevor sich 2003 Giovanni Maria Pala den Gerüchten widmete. Der Musiker (& Computertechniker) zeichnete Notenlinien über das Gemälde und stellte dabei fest, dass die Brotlaibe und Hände der abgebildeten Personen tatsächlich Noten darstellen könnten.
Als er die vermeintliche Melodie, dem europäischen Standart entsprechend, von links nach rechts las, ergab sie keinen Sinn. Da Leonardo jedoch nicht selten in Spiegelschrift, also von links nach rechts schrieb, las Pala die Noten rückwärts – und siehe da, es erklang eine Melodie.
Der Musiker erkennt die Notenfolge als "Hymne an Gott". Er erklärte nachfolgend, dass sich diese Melodie am besten auf einer Orgel spielen lasse – dem Nummer-Eins-Instrument für religiöse Kompositionen. Pala interpretiert die Melodie als eine Art Requiem (Trauermelodie), welche das Leid Jesu musikalisch unterstreichen soll.
Daraufhin veröffentlichte der Oxford-Absolvent 2007 das Buch "La Musica Celata" (Die versteckte Musik), in der er seine Erkenntnisse mit der Welt teilte. Da Leonardo da Vinci auch Instrumente baute und schon vorher in seinen Schriften musikalische Rätsel versteckte, die von rechts nach links gelesen werden mussten, halten Experten, wie Kunsthistoriker Alessandro Vezzosi, der sich besonders mit da Vinci auseinandersetzt, die Entdeckung Palas für plausibel. Gleichzeitig warnt er jedoch davor, zu viel in gewisse Kunstwerke hinein zu interpretieren, da der menschliche Geist ständig auf der Suche nach Mustern sei.
#4 Caféterasse am Abend
Insbesondere der Verlust seines rechten Ohrs sowie die außergewöhnliche Farbgebung seiner späten Gemälde machten Vincent van Gogh zu einem der bekanntesten Maler des (Post-)Impressionismus. Das Gemälde "Caféterasse am Abend" gehört mit "Sternennacht" oder seinem "Selbstbildnis" zu den bekanntesten Werken des Niederländers. Heute wird die "Caféterasse am Abend" in der Van Gogh Gallerie des Kröller-Müller Museum im Geburtsland des Malers ausgestellt.
Einer Theorie zufolge sollen die Personen auf der Terrasse Jesus und seine Jünger darstellen.
Die sitzenden Menschen sind die elf ihm treuen Jünger. Die Schattengestalt, welche die Szene gerade durch die vordere linke Tür zu verlassen scheint, soll Judas darstellen, der Jesus verriet. Die stehende Person, wahrscheinlich ein Kellner, wird als Jesus erkannt. Die Laterne, die sich von seinem Kopf aus etwas weiter oben links im Vordergrund des Bildes liegt, wird als Heiligenschein Jesu interpretiert. Die weiße Kleidung, eventuell eine Schürze, die der vermeintliche Jesus trägt, symbolisiert aufgrund ihrer Farbe Tugend und Reinheit.
Ich möchte anmerken, dass ich auf der Terrasse lediglich 11, und nicht 12 "Jünger" erkenne. Zählt man die Person auf dem Gehweg rechts mit dazu, wäre die Runde komplett. Ein Argument warum auch er zu der Gruppe gehören könnte, ist seine Nähe zu den Tischen, die zwar neben der Terrasse stehen, jedoch sichtlich zum Café gehören. Ob man der Figur aufgrund seiner besonderen Positionierung im Bild auch eine inhaltliche Sonderstellung zuschreiben muss, ist fraglich.
Die Beleuchtung der Terrasse könnte weiterhin für die religiöse Erleuchtung stehen, die Jesus und seine Jünger erfuhren. Das würde zum einen erklären, wieso der Verräter Judas lediglich als Schattengestalt dargestellt wurde, obwohl er sich im Bildraum weiter vorn befindet als die anderen Figuren, die durch die Belichtung detailreicher dargestellt wurden.
Zum anderen tappen die Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehören, den Jesus predigt, wortwörtlich "im Dunkeln".
Als letztes Argument für ein christliches Motiv dient die Szene an sich. Schon durch da Vinci prägte sich eine bekannte Darstellung von Jesus und seinen 12 Aposteln; das letzte Abendmahl.
Welche Szene wäre für eine moderne Interpretation des Renaissance-Kunstwerkes besser geeignet als ein Café oder Restaurant, in dem man primär zusammen speist? Schon Im Bildtitel versteckt sich der erste Hinweis. Obwohl viele Werke van Goghs Szenen bei Nacht darstellen und auch hier bereits Sterne den Nachthimmel schmücken, entschied er sich im Bildtitel für den Abend.
Einerseits könnte "Abend" hier also eine Anspielung auf "Das letzte Abendmahl" sein, andererseits repräsentiert der Abend das Ende eines Tages, oder im religiösen Kontext das Lebensende Christus.
Klingt nach einer hübschen Hypothese, ist aber ohne Fakten, die sie stützen eben nur das: ein logisches Konstrukt, das nicht bewiesen werden kann.
Die Frage ist also, inwiefern Religion eine Rolle im Leben van Goghs spielte.
In der Bibel steht, Christus sei das Licht der Welt und verteile Mühseligen und Beladenen Kraft in der Dunkelheit des Lebens. Auch der Kellner verteilt "Kraft" in Form von Nährstoffen in den angebotenen Speisen.
Als Sohn eines Pfarrers war van Gogh nicht nur mit der Heiligen Schrift vertraut, sondern schien prädestiniert für ein religiöses Leben. Nachdem der Kunsthandel ihm überdrüssig wurde, versuchte er Pfarrer zu werden. Er scheiterte. Sowohl das Theologiestudium als auch eine Ausbildung, die den Fokus auf die praktische Seite des Predigens legte, brach er ab.
Das Komitee für Evangelisten beschrieb van Gogh als hoch engagiert (er verschenkte zeitweise seine wertvollsten Besitztümer, um so arm zu Leben wie die Urchristen), da ihm jedoch die "Gabe des Wortes fehlte", sei er als Prediger ungeeignet. Van Gogh kritisierte in Antwort auf die Ablehnung die "Konventionen und Vorurteile der Evangelisten", widmete sich aber fortan der Malerei.
Ich habe dem Christentum zu tief in die Karten geschaut,
sagte van Gogh später. Die Religion, die er in seinem Elternhaus lernte, schien ihm zunehmend veraltet, konservativ. Er strebte nach einer "modernen Religion". Diesen Gedanken fand er auch in Victor Hugos Schriften mit dem Zitat "Die Religionen vergehen, Gott bleibt". So stärkte sich seine Vorstellung einer neuen, transzendenten Religion, in der Glaube losgelöst von jegliche Konventionen existiert. Er sah Gott in der menschlichen Schöpferkraft manifestiert, was seine Gottesverehrungen vitalistischer machte. Diese Anschauung erklärt auch, wieso van Gogh seinem Atelier später die Bedeutung eines Klosters verlieh und ein mönchisches Leben als Maler führte. In der Zeit seiner religiösen Wandlung besuchte er den Gottesdienst immer seltener, weigerte sich schließlich sogar, seine Eltern zum Weihnachtsgottesdienst zu begleiten, was den streng evangelischen Eheleuten sehr missfiel. Kurz darauf zog er aus dem Elternhaus aus.
Besonders die Werke "Scenes of a Clerical Life" (1859) und "Janet's Repentance" (1877) von G. Elliot (eigentlich Mary Anne Evans) faszinierten ihn. In einem Gespräch mit seinem Bruder Theo verwies er auf letzteres Buch, und und drückte ein "Verlangen nach Religion unter den einfachen Leuten in den großen Städten" aus.
Van Gogh malt die Szene in Arles, einer der ältesten Städte Frankreichs und zeigt so die von ihm angestrebte Verbindung zwischen (Groß)stadt, den einfachen Leuten und Religion; wenn man von einem religiösen Hintergrund im Gemälde ausgeht.
Auch erwähnte er während seiner Zeit in Frankreich Theo gegenüber einen "Drang nach [...]
Religion". Dennoch war es nicht sein Ziel, explizit biblische Szenen zu zeigen. Vielmehr lag ihm viel daran eine "Stimmung wie zur Weihnachtszeit" zu erzeugen, und die religiösen Gefühle eines Augenblicks einzufangen. Beispiele dafür sind unbekanntere Werke van Goghs, die betende oder in der Bibel lesende Figuren abbilden.
Ich möchte Männer und Frauen mit diesem gewissen Ewigen malen, wofür früher der Heiligenschein das Symbol war und das wir durch das Leuchten, durch das Zittern und Schwingen unserer Farben zu geben versuchen.
Vielleicht hatte ihn dieser Drang nach neuen, modernen religiösen Vorstellungen dazu veranlasst, eine Art Neuinterpretation des "Letzten Abendmals" zu malen. Denn ich denke, das ist die "Caféterasse bei Nacht": eine Interpretation, die dem exzentrischen, verträumten Weltbild van Goghs entsprach, die konservativen Vorstellungen auflösen sollte, aber vor allem seine Auffassungen über Gott und die Welt widerspiegelt.
Die meisten biographischen Informationen sowie alle verwendeten Zitate stammen aus dem Artikel "Van Gogh und die religiöse Expression" von Jan Kohls in der "Zeitschrift für Theologie und Kirche", Vol. 102, No. 4 aus dem Jahr 2005.
#5 Die Schaukel
Schon bei der Veröffentlichung des Gemäldes "Die Schaukel" von Jean-Honoré Fragonard erntete das Bild viel Kritik für seine Frivolität. Das führte unter anderem dazu, dass der Einfluss des Malers die ersten 50 –100 Jahre nach seinem Ableben totgeschwiegen wurde. In einer Aufführung der zeitgenössischen französischen Künstler wurde er nicht einaml erwähnt. Dennoch brachten besonders "Die glücklichen Unfälle der Schaukel" (der Originaltitel des Ölgemäldes) Fragonard seinen heutigen Ruhm ein.
Der Auftraggeber forderte ursprünglich den Maler Gabriel François Doyen auf, seine Geliebte auf einer Schaukel schwingend zu malen. Da Doyen die Szene zu obszön vorkam, leitete er den Auftrag an Fragonard weiter.
Das Bild wirkt zwar dynamisch und ungezwungen, als "anstößig" würde ich es auf den ersten Blick jedoch nicht beschreiben – es sein denn man erkennt partout den Bildkontext.
Die Frau ist in einem hellrosanen Kleid dargestellt, was sie in dem ansonsten blau-grün gestalteten Garten in Kombination mit den voluminösen Röcken wie eine Blüte erscheinen lässt. Auch, dass die Szene in einem Garten spielt ist von Bedeutung. Im vorrevulotionären Frankreich galten schön gestaltete Gärten als romantische, private Rückzugsorte, insbesondere für die Oberklasse. Der kostspielig angelegte Garten Marie Antoinettes rund um Versailles mit seinen Pavillions, Seen und Residenzen ist ein bekanntes Beispiel hierfür.
Ihren rechten Schuh wirft die Frau der Statue am linken Bildrand zu. Der kleine Junge auf dem Sockel ist ein Bildnis von Amor, dem Gott der Liebe, welcher häufig als kleiner, geflügelter Junge dargestellt wird. Die Griechen nannten ihn "Eros", was gleichzeitig das griechische Wort für die erotische Art der Liebe ist. Somit ist dieses Element das erste aussagekräftige Symbol Fragonards.
Weiterhin wird durch den angehobenen Fuß der Blick für den Mann in der linken, unteren Ecke unter die Röcke der Frau eröffnet. Da Unterhosen lange Zeit als "typisch männlich" galten und erst ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts zur Standartgarderobe der Frau gehörte, trugen die Damen unter ihren prächtigen Gewändern lediglich knielange Hemden und/oder Unterröcke, sowie kniehohe Strümpfe. Kein Wunder, dass der vermeintliche Liebhaber ein wenig errötet.
Zuletzt soll die Anordnung und Haltung der Figuren eine Anspielung auf einen sexuellen Akt sein – bei dem die Frau oben ist. Sie schwingt hin und her, während der Mann unter ihr seinen "phallischen" Arm in Richtung ihrer geöffneten Beine ausstreckt.
Insgesamt spiegelt das Gemälde Fragonards meiner Meinung nach die Situation der französischen Gesellschaft kurz vor der Revolution wieder – ein Frankreich, in dem die Armen hungerten, während der Adel in Prunk und Protz lebte – ein Frankreich, in dem es nicht unüblich war, auf einer goldverzierten, samtgepolsterten Schaukel zu sitzen, während Bauern bankrott gingen. In dem Hedonismus an der Tagesordnung stand, auch wenn man das selbstverständlich nie zugeben würde.
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